Montag, 17. November 2014

Blätter im Wind

            In dem Moment, in dem Lars aufwachte, hat der neblige Morgen erst angefangen. Um die Jahreszeit fing er gerade dann an, wenn die innere Uhr den Menschen sagte, dass es schon an die Zeit wäre, langsam sich aus der Bettwäsche herauszukriechen und die erste Zigarette anzuzünden. Dies tat auch Lars. Er stand auf und ging zum Fenster. Da er es nicht gerne hatte, in einem angerauchten Zimmer zu sitzen, öffnete er als erstes das Fenster. Das Kalte Luft kam ins Zimmer hinein. Er mochte dieses Kalte Luft auf der nackten Haut zu spüren. Er fühlte sich, als ob er auf einem Eisberg aufgewacht wäre und atmete hungrig diese Kälte ein. So rauchte er seine Zigarette um den restlichen Schlaf von seinen Schultern abzubekommen.
Als er die Zigarette fertig rauchte, schaute er erst mal auf die Uhr. 7.30. Um 10 Uhr sollte seine Schicht im Stadtteil der Träume anfangen. Noch gerade genug Zeit einen Kaffee zu trinken, dachte Lars, und ging in die Küche. Dort stellte er das Wasser auf den Herd und fing an das Brot zu vorbereiten.
Das Brot vorbereitete er immer sehr sorgfältig. Es sollte ja für alle drei Pausen reichen und reichlich belegt sein, damit es ihm bei der Arbeit an Nahrung nicht fehlte. Dafür nahm er immer etwa Schinken, Käse, Fisch und Salat. Die Brote beschmierte er auch mit genügend Butter damit er mit Fett versorgt war. Er machte sich keine Sorgen, dass er vielleicht zu viel zu essen mitnahm, es wird sich schließlich jemand finden, mit dem er seine Mahlzeit teilen wird. Und da Lars ein von wenigen war, die seine Brote in der Ruhe vorbereiten durften, nahm er immer etwas mehr davon in die Arbeit mit.

Der Weg in den Stadtteil der Träume von dem Stadtteil, den Lars bewohnte, musste man mit dem Zug überqueren. Man fuhr eine ganze Stunde Lang dorthin und diese Stunde verweilte Lars, in dem er aus dem Fenster schaute und an nichts besonderes dachte. Damals hat er noch versucht auf diesem weg eine Zeitung zu lesen, jetzt aber waren ihm alle die Nachrichten dermaßen gleichgültig, dass er es ganz aufgegeben hat, sich für das aktuelle Geschehen zu interessieren.
So saß er da auf seinem Platz und betrachtete die Häuser, Spielplätze, Schulen und alles, was auf dem Weg gelegen war. Anbei überlegte er sich nie die Unterschiede zwischen dem, was innen und außen von dem Stadtteil der Träume passierte, schließlich war er dort nur für das Mauerbau zuständig. Ihm war es wichtig, dass die Ziegelsteine gleichmäßig und schlicht gelegen waren und dass nichts auffiel. Der Mauer wuchs auch schon zehn Jahre nach oben Hinauf und immer ergab sich etwas, was man noch nachbauen, oder nochmals anfertigen sollte. Zusammen mit anderen dreißig Arbeiter baute er also den Mauer immer größer und perfekter. Die Gewerkschaft versicherte ihm auch die Arbeit für nächste zwanzig Jahre, seit zehn Jahren war er also von der Pflicht befreit, sich eine andere Beschäftigung suchen zu müssen.
Als der Zug endlich ankam, nahm Lars noch den Bus, der ihn sicher über die Wiese brachte. Über die Wiese dürfte keine Zugverbindung gelegt werden, da sie schon zu dem Stadtteil der Träume gehörte und die dortigen Bewohner wünschten sich das nicht, da sie denen zum ausführen den Hunden und den Kindern zum spielen diente und der Zuglärm könnte sie belästigen.

Wer mal den Stadtteil der Träume bewohnte, verließ ihn auch ganz selten. Es war auch nicht allzu einfach, dort mal gewohnt zu haben, da man dafür seine Gründe haben und eine beitragende Wirtschaftskraft werden musste. Die einzigen, die zwischen dem Stadtteil der Träume und dem Rest der Stadt hin- und herreisten, waren die Arbeiter, die aus anderen Stadtteilen kamen, da es ziemlich teuer war, in der Stadtteil der Träume zu leben, und ihr Lohn ziemlich bescheiden war. Sie verweilten dort auch nie länger, als ihre Schicht andauerte, nie benutzten sie auch die Möglichkeit, noch nach der Arbeit zum Bierausschank zu schauen, ihre Aktivität dort beschrenkte sich also nur auf die Bau der Mauer.
Für die Maurer richtete die Regierung des Stadtteils der Träume Containerräume ein, damit sie dort in Ruhe in den Pausen essen konnten. Diese hielten sich auch an den Mahlzeiten Ablauf an, das immer in der gewissen Ordnung ablief. Jeder brachte immer, was er von Zuhause mitzunehmen geschafft hatte und teilte es mit anderen. Das hat sich auch die Regierung gewünscht, damit die Beziehungen in der Gewerkschaft gepflegt blieben. Dann aßen sie, zwar ohne sich zu viel miteinander zu unterhalten, räumten aber schließlich zusammen auf und kehrten zur Arbeit zurück.
Mal hat Lars ein riesiges Stück Hühnchen von gestern mitgebracht. So was hatten seine Kollegen nie, da ihre Frauen zu müde waren, für sie so großartig zum Kochen. Gleich hat sich das auch in der Gruppe herumgesprochen und bald war das ganze Hühnchen weg. Dieser Erfolg von seinem Hühnchen freute ihn, da Lars ein Mensch war, den es immer freute, wenn er anderen was gutes tun durfte.

Die Baustelle der Mauer des Stadtteils der Träumen bewohnten unzählige Katzen. Es hat sich immer ein Loch gefunden, in den sie sich hineinkriechen konnten und das taten sie. Sie vermehrten sich dort immer auch um die Jahreszeit, in der sich die Tiere normalerweise vermehren und ließen ihre Jungen im Winter überall herumlaufen. Diese sind dann für die Maurer erstmal zu einer enormen Belastung geworden, da sie ziemlich unvorsichtige Wesen waren und auf alles neugierig. Sinnlos versuchten die Arbeiter diese Plage zu bekämpfen, die Regierung der Stadtteil der Träume hat ja auch verboten, die Katzen aus der Bau zu räumen. Und so mussten sie, ob sie das wollten oder nicht, mit der Beachtung der kleinen Bewohner arbeiten.
Ab einem Moment haben sie sich mit den Katzen schon dermaßen zusammengelebt, dass sie angefangen hatten, denen die Namen zu vergeben. Und wenn immer die Arbeit gerade stillstand, erzählten sie sich kleine Geschichten über die oder andere Katze, wobei sie immer eine neue Geschichte zu erfinden hatten. Mal ist auch die Katze, über die es gerade erzählt wurde aufgetaucht, hörte interessiert zu, murmelte eine nur sich bekannte Antwort auf die Geschichte und verschwand wieder in ihrem Loch.
Nach der Arbeit vergaßen sie wieder alle Katzen und Geschichten über denen und führten wieder zu ihren besorgten Haushalten zurück, über die Wiese und dann mit dem Zug. Ebenso vergaßen sie dann die Baustelle und die Regierungsvorschriften. Der schwere Tag war dann vorüber.

Der Baumeister erlaubte seinen Arbeiter ab und zu eine kleine Bierrunde, besonders, wenn es gerade an die Arbeit fehlte. Man kaufte dann einen großen Fass und setzte sich rund um den. Die Maurer wetteten immer, wer am meistens Bier ins Magen zu bringen schafft und alle zählten laut, als es getrunken wurde. Der schnellste und der größte Trinker bekam sein Bierlein kostenlos.
Mal gewann Lars die Runde und aus der Freude, dass es ihm gelungen ist, spendierte er nächsten Fass für alle. Dann tranken sie reichlich und der nächste Gewinner spendierte nächste Runde. Zum Schluss hatte jeder schon genug ins Mund gekriegt und die Arbeit musste auf nächsten Tag verschoben werden. Und trotz den gemeinsamen Kopfschmerzen an dem nächsten Tag freute es die Gewerkschaft, weil die Arbeiter auf diese Weise zufriedener waren.
Und obwohl sie alle in diesem Zustand fürchterlich auffielen, waren sie dermaßen glücklich, dass sie beschlossen hatten, diesmal zusammen den Zug zu nehmen und sich neben einander zu setzen. Dann sangen sie noch betrunkene Lieder über gütige Frauen und deren Töchter. Und obwohl sie dann später weiterhin nie wieder neben einander gesessen sind, behielten sie diesen Abend in der besten Erinnerung.
In der unmittelbaren Nachbarschaft der Mauerbau verkauften die Stadtweiber ihre Körbe. Die vorbereiteten sie in den Stadtteil-Werkstätten an anderem Ende des Stadtteils der Träumen und verkauften zu einem günstigen Preis an die Bewohner. Sie gebrauchten die Körbe später auf dem Markt. So ein Korb war nach einem Jahr aufgebraucht und die Weiber mussten es mit der neuen Produktion rechtzeitig schaffen. Trotzdem hatten sie nicht immer Kundschaft, und wenn sie gerade keine hatten, unterhielten sie sich mit den Maurern.
Die Weiber hatten ihre spezielle Art sich mit den Arbeiter zu unterhalten. Sie behandelten sie immer mit einer mütterlichen Vorsorge, fragten immer, wie es denn gerade mit der Frau ergeht und ob sie reichlich bei der Mahl Zeit gegessen haben. Mal hatte der eine oder der andere Bauchschmerzen, dann ging er zu den Stadtweibern und betete um einen Melisentee. Die freuten sich immer, wenn er mit so einem Wunsch kam, da sie immer reichlich in jeglichen Tee versorgt waren und so fand es sich immer jemand, der einen trinken wollte.
Diese Beziehungen zu den Weibern waren bei der Gewerkschaft auch willkommen, da sie sich keine Sorgen um das Befinden seinen Arbeiter machen müsste und das hielt diese zufrieden.

Jeden Tag fuhr also Lars über die Stadt und jeden Abend kehrte er mit dem selben Weg zurück. Jedes Mal machte er sich auch einen kleinen Spaziergang auf dem Rückweg. Um die Jahreszeit waren die Blätter von den Bäumen gefallen und lagen machtlos auf der Straße. Lars ging, träumte vor sich hin und überlegte:
´Mir fällt nichts ein, was dem anderen auch nicht einfällt. Tatsächlich ist es nicht das Ziel, etwas bestimmtes zu Erreichen, sondern in einem Prozess Teil zu nehmen, das irgendwann mal zu einem Ergebnis führt. Was aber dieses Ergebnis ist, ist in dem Moment völlig unbedeutend. Man ist ja schließlich nicht selbst der Herr des eigenen Schicksals, sondern sie ist immer von Oben bestimmt. Hier endet die Macht, die wir im Leben besitzen. Es ist nicht unsere Aufgabe, zu wissen, welchem Zweck dienen die Schritte, die wir vornehmen.´
So ging er und reflektierte.

Ein gelbes, schwaches Blatt fiel zum Boden.






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